Demonstranten mauern Europäisches Patentamt zu Greenpeace protestiert gegen Urheberschutz auf Lebewesen

München (dpa). Aus Protest gegen die Vergabe eines Patents auf gentechnisch veränderte menschliche Embryozellen haben Greenpeace- Aktivisten am Dienstag das Europäische Patentamt (EPA) in München lahm gelegt und den Eingang zugemauert. Bei ihrer Aktion protestierten die rund 90 Demonstranten aus 13 europäischen Ländern auch gegen die Vergabe von "Patenten auf Lebewesen" allgemein. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, hatten etwa 50 Umweltschützer in den frühen Morgenstunden die Haupteingänge des EPA sowie die Zufahrt zur Tiefgarage versperrt und wurden von der Polizei mit "sanfter Gewalt" weggebracht. Die Grünen im bayerischen Landtag legten am Dienstag bereits gegen das umstrittene Patent Einspruch ein.

Greenpeace hatte aufgedeckt, dass das EPA im vergangenen Dezember ein Patent auf ein Verfahren zur Genmanipulation von menschlichen Stammzellen und Embryonen erteilt hatte. Dies ist aber auch nach Erteilung des Patents weiterhin in der EU verboten. Das Patentamt erklärte, die Erteilung des Patents EP 0695351 sei ein bedauerlicher Fehler gewesen. Das Amt werde alle Aufmerksamkeit aufwenden, um derartige Fehler künftig zu vermeiden. Das Patent könne durch Einsprüche rückgängig gemacht werden. Die Behörde betonte, dass das Klonen von Menschen nicht in den Schutzbereich des Patents falle.

"Wir machen das Patentamt dicht, um so lange wie möglich zu verhindern, dass weiterhin Patente auf Lebewesen erteilt werden", begründete Gentechnik-Experte Christoph Then von Greenpeace (Hamburg) die Aktionen gegen das Patentamt. Der Skandal sei kein Einzelfall.

"Seit 20 Jahren kann man beim EPA die Entwicklung verfolgen, dass die Patentierbarkeit von Glühbirnen systematisch über Bakterien, Pflanzen, Tiere und Teile des Menschen auf Lebewesen ausgeweitet wurde", sagte Caren Ulmann, Pressesprecherin von Greenpeace. Das Amt, das sich ausschließlich über Patentgebühren finanziere, müsse gezwungen werden, diese Patente auf Leben zurückzuziehen.

Die Grünen in Bayern bezweifelten, dass das Patent "aus Versehen" erteilt worden sei. Es gebe eine Reihe von Hinweisen, dass das Amt einen "bewussten Tabubruch" vollzogen habe. Es sei unverständlich, dass hochrangige Experten in der Patentschrift den ausdrücklichen Hinweis übersehen hätten, dass sich das Patent auch auf menschliche Embryozellen erstrecke. Das Amt müsse schärfer kontrolliert werden.

Eine Sprecherin der britischen Universität Edinburgh sagte, der Wissenschaftler Austin Smith von der biologischen Fakultät habe das umstrittene Patent schon 1993 beantragt. Smith versuche, die Züchtung von menschlichem Gewebe unter Laborbedingungen zu optimieren, um zum Beispiel Parkinson-Patienten mit frischen Zellen zu helfen.

Als "unglaublichen Skandal" bezeichnete der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese in Brüssel die Patenterteilung. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik der EVP-Fraktion aus Christdemokraten und Konservativen im Europaparlament, der größten Fraktion des Parlamentes. Liese verlangte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. "Die Verantwortlichen im Europäischen Patentamt, aber auch die Antragsteller laufen Gefahr, dass die gesamte Biotechnologie durch ihre unverantwortliche Handlungsweise diskreditiert wird."

Bereits im Januar 1998 hatte das Amt laut Greenpeace ein Patent zu unrecht auf Gene zur Stressanfälligkeit erteilt, bei dem die Genmanipulation am Menschen mit einbezogen gewesen sei. Außerdem habe die Behörde 1998 ein drittes Patent zur Genmanipulation von Milchdrüsen für die Pharmaproduktion erteilt, das auf Frauen übertragen werden könnte. Keines dieser Patente sei bis heute zurückgezogen worden. Einsprüche dagegen seien noch anhängig.

Im Dezember vergangenen Jahres hatte Greenpeace das Patentamt mehrfach aufgefordert, die Patentierung von Leben einzustellen. Der Präsident des Amtes, Ingo Kober, habe diese Forderungen ignoriert. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) verbietet die Erteilung von Patenten auf Erfindungen, die gegen die "guten Sitten" und die "öffentliche Ordnung" verstoßen. Verboten ist nach EPÜ-Artikel 53a die Patentierung von Keimbahnmanipulationen für Menschen und die kommerzielle Verwertung von menschlichen Embryonen.

Fischer kündigt Widerspruch gegen Embryonen-Patent anBundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) will Widerspruch beim europäischen Patentamt gegen die Vergabe eines Patentes auf gentechnisch veränderte menschliche Embryozellen einreichen. Einen entsprechenden Vorschlag wird die Ministerin am Mittwoch im Kabinett einbringen, kündigte sie am Dienstag in Kiel an.

Fischer distanzierte sich klar von dem Patent: "Das verstößt gegen die herrschende Moralvorstellung in Deutschland." Auf Grund des Embryonenschutzgesetzes sei die Anwendung des Patentes in Deutschland ohnehin verboten. "Wir wollen keine Forschung und Manipulation am menschlichen Embryo", betonte die Ministerin. Sie sei "befremdet" über den Vorgang, bei dem es sich nach Aussagen des Patentamtes um ein "Versehen" handele.

(RPO Archiv)
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